das siebte sieb

Präfixe und Suffixe: die Eurofixe

Viele Wörter enthalten Vor- oder Nachsilben (Prä- und Suffixe), seltener auch sog. Infixe innerhalb eines Worts. Die Zahl der Fixe ist recht gering: Es sind nur etwa 40 aus dem Lateinischen und dem Griechischen abgeleitete Präfixe und etwa ebensoviele Suffixe, die häufiger auftreten. Sie sind hochgradig international und kommen auch in deutschen Wörtern oft vor. Daneben mehren sich zunehmend auch englische Fixe, die in andere Sprachen und so auch in die Romania (zurück)wandern.

Die Bedeutung der hochfrequenten Fixe zu kennen, kann bei der Erschließung sehr hilfreich sein. In vielen Fällen kann es helfen, die Vor- oder Nachsilbe vom übrigen Wort zu trennen und so den Wortstamm zu erkennen. Dadurch wird das Verstehen oft erleichtert. Außerdem lernt man dabei Wortbildungsmechanismen der verschiedenen Sprachen bessser kennen, auch das hilft dabei, ihr Funktionieren besser zu verstehen.

oho!

Die Fixe folgen in der Regel den Schreibgewohnheiten der jeweiligen romanischen Sprache und verändern manchmal entsprechend ihre Gestalt:

  • So wird z. B. ein <archi-> als <arqui->, ein <philo>- als <filo-> oder ein <dys-/dis>- als <des->, <dez-> oder <de-, di-> wiedergegeben.
  • Die Vorsilbe <hypo-> aus dem IW ist in der Romania meist mit <i> wiederzufinden (rum. ipoteca), nur im Französischen bleibt es bei <y> (hypothèque),
  • Im Deutschen werden klassische Entlehnungen mit <ae> und <oe> meist mit der Schreibweise <ä> und <ö> wiedergegeben, z.B. in Präsident oder Ökologie. In den romanischen Sprachen ist hierfür in beiden Fällen ein <e> zu suchen: président, écologie usw.

Für den Erschließungsprozess ist es auch nützlich, mit Präfixen spielerisch umzugehen: Man kann Präfixe bei Verben abkoppeln, austauschen oder alternative Fixe hinzufügen, um eine schnellere Assoziation in der Zielsprache zu erhalten. Auch das Abtrennen komplexerer Fixe empfiehlt sich zum Üben:

fr. ra-conter → sp. contar
sp. en-contrar → fr. r-en-contrer
it. tornare → fr. ré-tourner
sp. des-pre-ocupado

Manchmal findet man durch Voranstellen eines Präfixes leichter eine Assoziation, z.B. bei it. chiamare:
→ verdeutschen: "klamieren" erscheint zunächst unbekannt; aber vielleicht kannt man aber de-klamieren/ ak-klamieren: aus-/ zurufen. 
→ fr. declamer, acclamer chiamare hat offenbar etwas mit rufen zu tun.

Präfixe aus dem Lateinischen

Die meisten Präfixe unserer Tabelle stammen aus dem Gelehrtenlatein und haben sich wenig verändert. Sie sind deshalb leicht wiedererkennbar. Kleinere Veränderungen kommen vor allem im Französischen und im Italienischen vor.

Eine besondere Aufmerksamkeit verdienen die Präfixe, die sich aus den lateinischen Vorsilben ad- und ab- entwickelt haben: Das romanische Präfix a[d]-, was soviel wie "hin zu etwas/jmd." heißt, wird am häufigsten für Wortneubildungen gebraucht. Es tendiert überall zur Assimilation, d. h., es passt sich den folgenden Konsonanten an:

 

FR

IT

KT

PT

RUM

SP

a[d-]+ n

annoter

annotare

anotar

anotar

a anota

anotar

a[d]+ [k]

accuser

accusare

acusar

acusar

a acuza

acusar

a[d]+ [l]

allier

alleare

aliar

aliar

a alia

aliar

a[d]+ [p]

appliquer

applicare

aplicar

aplicar

a aplica

aplicar

a[d]+ [t]

attention

attenzione

atenció

atenção

atenție

atención

Das lateinische Präfix ab-, was soviel wie "weg von etwas/jmd." heißt, passt sich in der Romania nur selten den folgenden Konsonanten an. Lediglich im Italienischen und Portugiesischen wird assimiliert, wenn -s(t) folgt:

IW                 FR                 IT                  KT              PG           RM                  SP

a[b-]

aberration

aberrazione

aberració

aberração

aberație

aberración

a[b]

abuser

abusare

abusar

abusar

a abuza

abusar

a[b]

abnégation

abnegazione

abnegació

abnegação

abnegație

abnegación

a[b-] + s

absence

assenza

absència

ausência

absentă

ausencia,

absencia

a[b] + st

abstinent

astinente

abstinent

abstinente

abstinent

abstinente

Pinn Häufiger werden die panromanischen Präfixe a = a[b]- und a = a[d]- mit der gleichlautenden ursprünglich griechischen Vorsilbe a- (alpha privativum) verwechselt. Dieses Präfix kehrt den Wortsinn um oder markiert, dass ein wesentlicher Bedeutungsbestandteil des Folgenden verneint wird.
Beispiele aus dem deutschen IW sind A-pathie, A-phasie usw.

Präfixe aus dem Griechischen

Wie bei den lateinischen Präfixen fallen auch bei den griechischen Vorsilben vor allem die italienischen Entsprechungen durch Assimilationen, d. h. Anpassung an den folgenden Konsonanten auf.

Das im deutschen IW vorhandene griechische h- ist panromanisch nur in der Schreibung erhalten geblieben, im Italienischen ist es gar nicht mehr zu finden. Im Rumänischen ist beides möglich.

Das griechische ph- und das th- werden überwiegend mit f- und t- wiedergegeben. Lediglich das Französische bewahrt die historische Schreibweise. Im Spanischen wird der ursprüngliche griechische Buchstabe psi zu s: pseudonym = seudónimo.

Die Tabelle zeigt die häufigsten Präfixe. Daneben gibt es etwa 220 weitere Elemente, die besonders häufig bei der Wortbildung Verwendung finden, z. B. biblio-, bio-, helio-, kilo-, ornit(h)o-. Sie sind meistens durch den allgemeinen internationalen Wortschatz oder durch den Fachwortschatz bekannt. Die manchmal abweichende Schreibweise ist für das Verständnis meistens unerheblich. 

Suffixe aus dem Lateinischen

Nomen und Adjektive:

Wie schon im Lateinischen werden in vielen Sprachen auch heute noch neue Wörter mit Nachsilben, sog. Suffixen, gebildet. Dies gilt insbesondere für die romanischen Sprachen. Die folgenden beiden Übersichten führen die häufigsten von ihnen mit je einem Beispiel aus dem IW auf.

Achte mal darauf, welche der Lautentsprechungen dir auffallen.

Verben:

Tipp: Das Suffix -ieren, das wir auch aus dem deutschen IW kennen, eignet sich besonders gut, um eine Erschließungslücke zu überbrücken: Man kann die Nachsilbe an ein unbekanntes romanisches Verb hängen und es so probeweise in den IW des Deutschen übernehmen. Das so geschaffene deutsche Kunstwort kann dann meist durch den Bedeutungszusammenhang erschlossen werden.

Suffixe aus dem Griechischen

Die aus dem Griechischen gebildeten Nachsilben sind hochgradig panromanisch. Es gibt nur kleinere Abweichungen in der Schreibweise griechischer Laute wie bei den griechischen Buchstaben phi, psirho, theta und ypsilon.

Schau dir die rumänischen und französischen Suffixe an: Fällt dir etwas auf?