Keine Angst vor anderen Sprachen!

Barrieren überwinden

Wenn man sich neuen - vermeintlich unbekannten - Sprachen annähert, wird man sehr schnell feststellen, dass man einige Elemente leicht wiedererkennen und oft sogar verstehen kann. Grundsätzlich kann man alles, was man bereits in und über andere(n) Sprachen weiß und kann, gezielt für das Verstehen weiterer Sprachen nutzen. Das EuroCom-Training vermittelt Strategien und Techniken, um schnell und lernökonomisch Texte  zu verstehen, also zunächst das Lese-, aber auch das Hörverstehen zu trainieren. Dabei lernt man verschiedene romanische Sprachen kennen und erweitert das eigene Repertoire um sprachenübergreifende Kompetenzen. Das ist eine gute Grundlage, um schnell auch interaktive und produktive Kompetenzen in einzelnen Sprachen aufzubauen. Außerdem wird auch die übergreifende individuelle mehrsprachige Kommunikationskompetenz dadurch nachweislich gestärkt.

Du wirst sehen: Interkomprehensionstraining nach dem EuroCom-Ansatz ist hochmotivierend, weil sich unerwartet schnell erste Erfolge einstellen!

Haderst du doch noch? Dann schauen wir uns doch einmal an, was dich möglicherweise noch von deinen neuen Sprachen trennen könnte.

Vielleicht können die folgenden Überlegungen dir helfen, deine Vorbehalte abzubauen. Es gilt: Je besser wir unsere Ängste und Bedenken konkretisieren können, desto leichter können wir sie ausräumen!

1. Mythos: „Old dogs don’t learn new tricks!“

Entgegen dieser weit verbreiteten Ansicht ist (Lebens-)Erfahrung (auch) beim Sprachenlernen in jedem Fall nützlich. Denk nur daran, wie lange du schon deine Muttersprache sprichst und verstehst, wie viele unterschiedliche Texte du schon gelesen und geschrieben hast. Damit weißt du schon sehr viel in und über deine Sprache, und je älter du wirst, desto größer wird auch dein Wissen und Können, es wächst mit steigendem Lebensalter stetig weiter. 
Das gilt auch für die anderen Sprachen: Erwachsene verfügen über ein komplexes Sprachwissen, das sich aus allen Kenntnissen und Fähigkeiten im eigenen Sprachenrepertoire zusammensetzt. Diese individuell sehr unterschiedlich ausgeprägten Ressourcen können das Sprachenlernen erheblich erleichtern. Das bereits vorhandene Wissen wird beim traditionellen Sprachenlernen aber in aller Regel kaum berücksichtigt und nicht gezielt dafür eingesetzt. EuroCom dagegen basiert auf der lernökonomischen Nutzung der vorhandenen Ressourcen, nicht nur in sprachlicher Hinsicht, sondern auch bezüglich des Weltwissens und aller individuellen Sprach(lern)erfahrungen.

Der interkomprehensive Spracherwerb verläuft ganz individuell, jeder Lernende bringt seine persönlichen Wissensbestände und das eigene Können ein. Der Blick auf das eigene Sprachenwissen und -können und das Nachdenken über das Sprachenlernen sind wesentliche Aspekte für den reflektierten Umgang nicht nur mit der eigenen Mehrsprachigkeit, sondern auch für den Umgang mit den Sprachen der Anderen. Neue Blickwinkel können sich auf Einstellungen zu Sprachen, zur Mehrsprachigkeit und zum Sprachenlernen auswirken. Auch das kann eine zentrale Rolle für den (Sprach-)Lernerfolg spielen. Im Kapitel zum Optimierten Erschließen kannst du erfahren, auf welche Ressourcen man sich beim interkomprehensiven Mehrsprachenlernen stützen kann.

2. Mythos: „Ich bin sprachenunbegabt!“

Die Fähigkeit, Sprachen zu lernen, ist von vielen sehr unterschiedlichen Faktoren abhängig – und schlägt sich keineswegs immer in schulischen Leistungen nieder! 

Im sog. Münchner Hochbegabungsmodell (Heller, Perleth & Lim, 2005) wird Sprachbegabung als soziales Phänomen beschrieben, während Gardner (2002) die sprachliche als eine der acht menschlichen Intelligenzen ansieht, die sich im Lebenslauf ausbilden. Andere Modelle stellen wiederum andere Aspekte in den Vordergrund; aber einige Faktoren sind allen Modellen gemeinsam, z.B. diejenigen, die persönliche Lernereigenschaften oder äußere Gegebenheiten wie die allgemeinen Lernbedingungen umfassen. So können insbesondere schlechte Erfahrungen z. B. mit dem schulischen Sprachenunterricht oder falsche Herangehensweisen schnell das Gefühl hinterlassen, nicht begabt für das Sprachenlernen zu sein, ganz unabhängig von den tatsächlichen Voraussetzungen oder Begabungen. Äußere Faktoren können also die Einstellungen zum Sprachenlernen und das Selbstbewusstsein wesentlich beeinflussen und das Sprachenlernen unnötig erschweren.

Ebenso wie man in der Erst-/Muttersprache ständig hinzulernt, so ist dies auch in den anderen Sprachen der Fall, lebenslang und individuell ganz unterschiedlich. Und so setzt sich auch jedes Sprachenrepertoire unterschiedlich zusammen; außerdem ist es hochdynamisch, weil ständig neues sprachliches Wissen und Können hinzukommt - und weniger benutzte Wissensbestände dabei in den Hintergrund geraten können (aber auch lang zurückliegend Erworbenes geht nicht endgültig verloren, es kann immer wieder aktiviert werden!).

Auf all das, was man bereits kann und weiß, baut das Sprachenlernen mit EuroCom auf — es muss bei Weitem nicht alles neu gelernt werden, insbesondere, wenn man sich mit nahverwandten Sprachen beschäftigt. Damit eröffnet das interkomprehensive Sprachenlernen viel Raum für Erfolgserlebnisse, die den Spracherwerb erleichtern und das Lernen beschleunigen können.

3. Mythos: „Wenn man neue Sprachen lernt, vermischt man die verschiedenen Sprachen. Das kann nicht gut sein!“

Dieser immer wieder anzutreffenden Aussage stehen inzwischen klare wissenschaftliche Erkenntnisse entgegen. Vor allem der bewusste Umgang mit mehreren Sprachen ist beim Lernen entscheidend — je bewusster man vergleicht und kontrastiert, desto effektiver können die verschiedenen sprachlichen Systeme vernetzt werden. Je klarer man die Sprachen zu unterscheiden lernt, desto besser werden sich die einzelsprachlichen Kompetenzen entwickeln.
Gerade am Anfang ist das “Vermischen” kreativer Ausdruck der Fähigkeit, vorhandenes Wissen auf neue Sprachen zu übertragen. Mit dem Lernfortschritt festigen sich die einzelnen Sprachsysteme, sodass kein Grund zur Sorge bestehen muss, wenn anfangs z. B. im Italienischen französische Wörter verwendet werden.

Bei EuroCom gilt: Je mehr man in und über seine Sprache(n) weiß, desto größer sind die Ressourcen, aus denen man für den Transfer in andere Sprachen schöpfen kann. Für den Erwerb von Lese- und Hörverstehen ist die Fähigkeit, Vorgelerntes zu übertragen, sogar besonders wertvoll und kann gezielt lernfördernd genutzt werden. Elemente aus einer — vermeintlich — neuen Sprache auf der Basis der bereits bekannten Sprache(n) wiederzuerkennen, wird schnell die Vorteile deiner Mehrsprachigkeit zutage fördern und für Erfolgserlebnisse sorgen!

4. Mythos: „Wenn ich eine neue Sprache lerne, verlerne ich die anderen!“

Es kann gar nicht deutlich genug betont werden: Das Erlernen einer neuen Sprache löscht nicht die Kenntnisse der zuvor gelernten Sprachen. Das neue und die alten Sprachsysteme ergänzen sich vielmehr und interagieren miteinander. Dabei ist die mehrsprachige Kompetenz deutlich mehr als nur die Summe der einzelsprachlichen Kenntnisse, sie bilden "gemeinsam eine kommunikative Kompetenz, zu der alle Sprachkenntnisse und Spracherfahrungen beitragen und in der die Sprachen miteinander in Beziehung stehen und interagieren” (GER, S. 17).
Normal ist, dass auf die Sprachen, mit denen man sich aktuell weniger beschäftigt, kognitiv weniger schnell zugegriffen werden kann. Dies ist aber nicht notwendigerweise ein Dauerzustand, denn einmal Erlerntes bleibt vorhanden, wenn es auch ggf. von neuen Informationen überlagert wird. Grundsätzlich gilt, dass brachliegendes Sprachenwissen mit vergleichsweise geringem Aufwand wieder reaktiviert werden kann - dieses Phänomen stellt sich beim gezielten sprachenvergleichenden Arbeiten häufig wie von selbst wieder ein, wenn längst vergessen Geglaubtes wieder greifbar wird!

Indem EuroCom gezielt auf vorhandenes Wissen und Können zurückgreift, fördert es sowohl die Kompetenzen in den vorgelernten Sprachen als auch die Vernetzung der verschiedenen Ressourcen: Wissenschaftliche Untersuchungen belegen neben den neu erworbenen Sprachkompetenzen eine Verbesserung auch in den vorgelernten Sprachen, die beim interkomprehensiven Arbeiten als Brücken genutzt werden (cf. Meissner, 2016, S. 27).

5. Mythos: „Ich kann doch keine Sprache sprechen, die ich nicht perfekt beherrsche!“

Das Prinzip „Übung macht den Meister” gilt ganz besonders für das Sprechen und Schreiben, also die Sprachproduktion; dies spiegelt sich auch in aktuellen didaktischen Konzepten wider. Das Ziel, erfolgreich zu kommunizieren, kann allerdings auch erreicht werden, wenn man Fehler macht; denn solange eine Äußerung verstanden wird, gelingt die Kommunikation. Auch hier spielen Einstellungen eine besondere Rolle. In unserer immer mehrsprachigeren Welt ist die Tendenz zu beobachten, dass sich die Vorstellung vom „perfekten“ Sprecher zunehmend relativiert und die Bereitschaft, zu verstehen ebenso wie die Fehlertoleranz steigt.
So gilt die Vorstellung, im Sprachenunterricht die Kompetenzen eines 'Muttersprachlers' zu erreichen oder auch nur anzustreben, als überholt, nicht zuletzt, weil es noch nicht einmal 'den perfekten Muttersprachler' gibt: Auch in der Erst-/Muttersprache werden Fehler gemacht und es gibt stets Raum zur Verbesserung (GER 2020,XX). Eines der Grundprinzipien des modernen Sprachenlernens ist daher die sog. funktionale Mehrsprachigkeit, d. h. die Fähigkeit, sich in verschiedenen Sprachen und Kommunikationssituationen verständigen zu können. Fehler sind dabei aus Sicht der Sprachlehrforschung sogar förderlich, denn man kann aus ihnen lernen, vor allem, wenn man sie bewusst dazu nutzt. Auch das eigene (sog. explizite) Sprachenwissen kann übrigens sehr effektiv zur Selbstkorrektur genutzt werden (Krashen, 1982).

Der Zugang zu nahverwandten Sprachen über EuroCom basiert auf der Entwicklung rezeptiver Kompetenzen, zunächst des Leseverstehens. Dies sollte aber keineswegs davon abhalten, sich auch mit der Interaktion und der Produktion, also dem Sprechen und/oder Schreiben in einer neuen Sprache, auseinanderzusetzen. Man kann z. B. auch schon beim erschließenden Lesen die Aussprache mittrainieren. Das gelingt leichter, wenn man sich immer auch die Audioversionen der Texte anhört.

In diesem Sinne viel Erfolg und Spaß beim Sprachenlernen mit EuroCom!